Vorwort des DA-Vorstandsvorsitzenden Johann Ettengruber aus der ABBRUCH aktuell 02/2018

Man reibt sich die Augen

(Das Vorwort wurde zum Redaktionschluss – 17.06.2018 erstellt.)

Die politisch interessierte Welt (wir alle ?) schaute dieser Tage gebannt nach Singapur, als sich tatsächlich der amerikanische Präsident und der nordkoreanische Staatschef dort trafen. Und man rieb sich verwundert die Augen über das, was man von dort sah und hörte (und beinahe noch mehr, weil kein tweet folgte, der alles wieder um 180 Grad gedreht hätte).

Die Fußball-interessierte Welt schaut in diesen Wochen gespannt nach Rußland, zu den Spielen der WM. Ob es Anlass gibt, sich über das ein oder andere Spielergebnis auch verwundert die Augen zu reiben, steht zum Zeitpunkt des gerade erst gelaufenen Eröffnungsspiels noch nicht fest.

Die europäische Abbruchwelt konnte Anfang Juni erwartungsvoll nach Wien blicken, wo die diesjährige Tagung des Europäischen Abbruchverbandes (EDA) stattfand. Und zumindest ich, als erstmaliger Teilnehmer dieser Veranstaltung, rieb mir dort verwundert die Augen.

Auf dieser Tagung wurden vor rund 120 Teilnehmern in 13 Vorträgen (und 17 Ausstellern) durchaus Themen angesprochen, die ganz Europa im Blick hatten. Aber rein aus statistischer Sicht (und da war noch nicht einmal der EDA Industrie-Report 2018 dabei). So klang zwar manches nach großer europäischer Dimension, aber ganz ehrlich, ich vermisste die fachliche Tiefe und den praktischen Nutzen für mich und meine Arbeit.

Also machte ich das, was für die meisten Teilnehmer bei dieser Tagung ohnehin offensichtlich im Vordergrund steht: sich mit den Kollegen unterhalten und austauschen.

So erfuhr ich, dass die Franzosen uns einen Schritt voraus sind, weil dort zum 1. Januar 2018 der (eine) Abbruchverband und der (eine) Recyclingverband miteinander fusioniert haben (ein Zentralstaat hat eben auch Vorteile). Die Briten haben z.B. in der Aus-und Weiterbildung sicherlich mehr Zertifikate, die durchaus auch gut und sinnvoll sind, als wir in Deutschland auf die Beine gestellt. Und in anderen Ländern werden wohl größere Bagger als bei uns gebaut und auf der Baustelle verwendet. Das alles soll jetzt nicht gönnerhaft oder gar herablassend klingen.

Aber neben diesen Informationen wurde mir in meinen zahlreichen Unterhaltungen bei dieser Tagung schon sehr bewusst, dass die europäischen Abbruch- und auch Verbandskollegen mit größtem Respekt zu uns nach Deutschland schauen. Auf welch‘ hohem fachlichen Niveau bei uns gearbeitet wird, sowohl auf unseren Abbruchbaustellen aber auch durch den DA, als größten Abbruchverband in Europa, wurde stets anerkennend gewürdigt. Unsere Fachtagung Abbruch in Berlin kannte fast jeder meiner Gesprächspartner und sie wurde als das Beste gelobt, was es auf diesem Sektor gibt. Natürlich wird man da stolz als Verbandsvorsitzender und Abbruchunternehmer (und kann auch bloße Schulterklopfer davon trennen) und ich gebe zu, damit hatte ich nicht gerechnet.

Bei Stolz und Genugtuung möchte ich es aber nicht bewenden lassen. Wir bieten denjenigen unserer europäischen Kollegen, die offensichtlich gerne von uns lernen wollen, an, unser Fachwissen und unsere Expertise mit ihnen zu teilen. Sei es im direkten Kontakt von Abbruchunternehmer zu Abbruchunternehmer oder vom Deutschen Abbruchverband zu anderen nationalen Verbänden. „Share your knowledge –  teile dein Wissen“, wurde ich öfters auf dieser Tagung gebeten und möchte das auch umsetzen.

Nicht, dass ich hier falsch verstanden werde: das hat überhaupt nichts mit dem „deutschen Wesen, an dem die ganze Welt genesen“ soll, zu tun. Aber wenn wir darum gebeten werden, lassen wir andere gerne an unseren Erfahrungen und Wissen teilhaben. Über einen geeigneten Weg dazu, werden wir uns in der nächsten Zeit Gedanken machen.

Johann Ettengruber
DA-Vorstandsvorsitzender